Meine Selbsterfahrungswoche

 

An die eigenen Grenzen gehen und was ich dabei lernte

 

Die Anreise

Ein Teil meiner Ausbildung zur Mediatorin war eine Woche Selbsterfahrung im Sölktal in der Steiermark. Ziel dieser 7 Tage war u. a. das Ausloten der persönlichen Grenzen.

Unter Begleitung unserer Ausbildner festigten wir unsere Stärken und öffneten unseren Weitblick ein Stückchen, um in der Praxis nicht von unseren Klienten aus der Mitte gebracht werden zu können.

Der erste Schritt war die Zimmerbelegung. Nachdem wir in einem 50-Seelen Dorf untergebracht waren und im ganzen Dorf nur ein Gasthaus als Unterkunft zur Verfügung stand, in dem Einzelzimmer Mangelware waren, stand fest, wir mussten die Zimmer teilen.

Ich war von dieser Idee überhaupt nicht begeistert, denn seit vielen Jahren gönnte ich mir bei Seminaren immer ein Einzelzimmer. Ich schätze bei solchen Veranstaltungen im Gästezimmer meinen Freiraum und es sind keine Absprachen notwendig, wann z. B. das Badezimmer frei ist.

Aber es finden sich ohnehin immer die passenden Personen zusammen und so verbrachte ich diese Woche in Harmonie und Eintracht mit einer unkomplizierten, sympathischen und lustigen Kollegin. Es war eine perfekte Kombination aus Spaß und Lachen, gepaart mit tiefgründigen, interessanten und lehrreichen Gesprächen.

Täglich wurden uns Aufgaben gestellt, die zu lösen waren oder wir kamen bei unseren sportlichen Aktivitäten an unsere körperlichen und mentalen Grenzen.

Zu Beginn waren die Anforderungen an uns relativ einfach, der Schwierigkeitsgrad steigerte sich im Laufe dieser Woche zunehmend.

 

Die Gruppenaktivitäten

Blind ein Quadrat bilden

Unsere erste Aufgabe bestand darin, dass sich 20 Personen an einem Seil festhalten und mit verbundenen Augen ein Quadrat bilden sollen.

Die einzige Kommunikationsmöglichkeit war die Sprache.

Es ging ziemlich chaotisch zu und erst nach einer halben Stunde hatten wir die Aufgabe gelöst. Das dachten wir zumindest, denn herausgekommen ist ein unförmiges Viereck, weit entfernt von einem Quadrat.

Auf zur zweiten Runde, dieses Mal entwickelten wir eine bessere Taktik mittels Kommandos und schlussendlich konnten wir diese Herausforderung lösen.

 

Balancieren auf der Slackline

Es war ein regnerischer Tag und im Wald waren Slacklines in geringer Höhe für uns gespannt. Sich auf der Slackline zu halten, sieht sehr einfach aus, ist jedoch schwierig und fordernd.

Mit gegenseitiger Unterstützung ging’s dann ziemlich gut und so schafften alle die gestellten Aufgaben, wie z. B. sich blind führen zu lassen oder im Doppelback von einer Seite auf die andere zu balancieren.

 

Das Spinnennetz in den Bäumen

Das aus Seilen gespannte Spinnennetz mit unterschiedlich großen Löchern in einer Höhe bis zu zwei Metern war unsere nächste Challenge.

Alle Teilnehmer mussten von einer Seite zur anderen gelangen, ohne das Netz zu berühren und ein Loch durfte nicht zwei Mal verwendet werden.

Die kleineren, schlankeren Personen waren schnell drüben. Problematisch wurde es mit den großen, schweren Leuten und der zunehmend steigenden Höhe.

Wir lösten dieses Problem, indem die großen Kräftigen die kleinen Zarten durch die oberen Löcher hievten und selbst die unteren Öffnungen benutzten. Wir brauchten dafür ebenfalls ein paar Anläufe, bis  wir erfolgreich enden konnten.

 

Gemeinsam eine Brücke bauen

Ausbildung zur Mediatorin im Sölktal

Es regnete ununterbrochen und aus dem kleinen, unscheinbaren Bächlein war ein reißender Wildbach geworden.

Dieser schaute zwar wild romantisch aus, stellte uns jedoch vor ein enormes Problem, denn die nächste Aufgabe wartete bereits auf uns: Die Männer mussten für die Damen einen Übergang von einem Ufer zu anderen bauen und umgekehrt.

Verwendet werden durfte ausschließlich das herumliegende Holz und die mitgebrachten Seile.

Die Herren errichteten für uns einen breiten Steg, auf dem wir gemütlich und nahezu elegant darüber marschieren konnten.

Wir Frauen fanden eine praktische Lösung und strickten das Holz sozusagen mit den Seilen ein. Unsere Brücke war zwar außerordentlich hübsch anzuschauen und erfüllte für kurze Zeit ihren Zweck.

Leider war sie nicht besonders stabil und unser Strickwerk dehnte sich unter dem Einfluss der Feuchtigkeit und des Gewichtes der überquerenden Personen so weit aus, dass sie nach drei Leuten mehr unter als über dem Wasser war.

 

 

Eine Wanderung im Hochseilgarten

Hochseilgärten kenne ich lediglich von Erzählungen und Bildern. Nun war es für mich an der Zeit, meine ersten Erfahrungen zu machen.

Mediation Ausbildung im Sölktal

©️ Maximilian Dorfer

Eine kurze Einführung, das Klettergerüst umgeschnallt und los ging es. Wir waren eine Vierergruppe und eine Teilnehmerin von uns hatte ein kleines Problem mit der Höhe.

Die Gärten waren in 3 unterschiedlichen Höhen für Beginner bis ganz Mutige angelegt.

Nachdem sich bei den Einsteigern eine lange Schlange an Wartenden gebildet hatte, schlug ich vor, gleich mit der Stufe 2 zu beginnen und schon war ich auf der Kletterwand.

Höhenangst und Schweißperlen

Was ziemlich einfach begann, änderte sich rasch in eine enorme Herausforderung für mich. Die Griffe wurden zunehmend kleiner und die Schrittfolge dementsprechend schwieriger. Schweißgebadet erreichte ich die erste Plattform und war froh, verschnaufen zu können.

Bei jedem Hindernis haben wir gewartet, bis es alle geschafft hatten. So ging es über Drahtseile, hohle Baumstämme, Schaukeln, Spinnennetze bis zum Flying Fox.

Obwohl ich doppelt gesichert war, kostete mich doch die eine oder andere Hürde in luftiger Höhe ein ziemliches Maß an Überwindung.

Unsere Kollegin mit der Höhenangst haben wir sinnbildlich in die Mitte genommen und durch dieses Gefühl, zwischen uns und bei uns gut aufgehoben zu sein, hat sie den gesamten Parcours souverän gemeistert.

Euphorisch machten wir uns an die zweite Runde. So einfach, wie wir uns das vorgestellt hatten, war es dann doch nicht.

Die Höhe von 25 Metern, die nachlassende Körperkraft und die Hindernisse, die ständig schwieriger wurden, forderten jeden Einzelnen enorm.

Es war anstrengend, aber wir haben es geschafft und wurden mit einer vollen Landung an Glückshormonen belohnt.

 

Canyoning im Wildbach

Ich habe mir das unendlich romantisch vorgestellt. Durch das Flusstal, eingekesselt von den Bergen, zu waten und eins mit der Natur zu sein.

Die Wirklichkeit holte mich rasch ein, denn bevor ich überhaupt unten beim Wasser angelangt war, musste ich mich drei Mal abseilen lassen. Ich hatte absolut keine Bergerfahrung und hing noch nie in meinem Leben an einem Seil.

Gesichert durch einen Bergführer ging ich sofort als zweite ans Werk, denn vor mir wurde eine 110 kg Mann abgeseilt und das machte mir Mut. Ich sollte mich waagrecht hinlegen und mit den Beinen an der Wand hinunter gehen. Das klingt recht einfach, war es aber nicht, doch irgendwie landete ich sozusagen auf der ersten Stufe.

Zwei weitere Katarakte waren zu überwinden. Ich war heilfroh, alles gut überstanden zu haben und beschloss, dass diese Erfahrung einmal im meinem Leben reicht.

Locker spazierte ich im Flussbett entlang, allerdings nur kurz. Die Steine waren extrem glitschig, sodass ich sofort abrutschte und mich gerade noch über Wasser halten konnte. So ging das die ganze Zeit. Die Flusswanderung war viel anstrengender als gedacht und erforderte meine ganze Konzentration, nix war’s mit der Romantik 😉.

 

 

Die Wanderung in Höhenluft

Die größte Herausforderung wartete noch auf mich, allerdings wusste ich das zu diesem Zeitpunkt nicht: die Wanderung auf den 2.433 m hohen Deneck.

Der Bus brachte uns zum Ausgangspunkt Kaltenbachkehre. Motiviert hüpfte ich aus dem Bus, bis ich das Gipfelkreuz erspähte. Das war aus dieser Perspektive ca. 1 cm groß und schien mir unerreichbar und Welten entfernt.

Die erste Teilstrecke bis zum Unteren Kaltenbachsee war auf einem schön angelegten Wanderweg leicht zu bewältigen. Anspruchsvoller war der Abschnitt bis zum Mittleren Kaltenbachsee, doch durchaus gut zu gehen.

Dann wurde es richtig anstrengend. Ich fühlte mich wie ein waschechter Bergsteiger, denn auf dem steilen, steinigen Pfad mühte ich mich Schritt für Schritt weiter nach oben.

Dann wechselten sich leichte und schwierige Teilstück ab und ich war guten Mutes, bis das Gipfelkreuz zum Greifen nahe war und sich der Weg teilte. Einerseits konnten wir die Bergspitze über “den ausgesetzten, schwierigen Weg” oder andererseits über das “einfache Steinerne Meer” erreichen.

Ich war schon etwas erschöpft und wählte das Steinerne Meer, nachdem mir erklärt wurde, dass ausgesetzt gleichzeitig heißt, es handelt sich um einen sehr schmalen, ungesicherten Weg und ich muss mich festhalten.

Unser Bergführer stellte jedoch die Regel auf, dass die Gruppe zusammenbleiben muss und sich nach den schwächeren Teilnehmern richtet.


Es ist nicht einfach, Schwächen zuzugeben

Der Gruppendruck war massiv, denn alle anderen wählten die schwierige Route. Ich war also die Einzige, die sich nicht traute. Es fiel mir ziemlich schwer, bei meiner Entscheidung zu bleiben, denn meine Kolleginnen und Kollegen waren alles andere als von meiner Wahl begeistert.

Anschließend war ich richtiggehend  froh und erleichtert, diese Wahl getroffen zu haben, denn ich hatte keine Bergerfahrung und verspürte große Unsicherheiten und Angst auf einem schmalen, nicht gesicherten Steg zu gehen, zumal meine Kräfte ebenfalls nachgelassen hatten.

Im Nachhinein erwähnten zwei weitere Kolleginnen so nebenbei, dass sie über mein Veto froh gewesen sind, denn eine von ihnen hatte Schwindelanfälle und die andere war ebenfalls schon körperlich am Limit.

So erklommen wir langsam den Gipfel und ich war berauscht von dem Weitblick, den die Berge boten, dem Gefühl, schier Unvorstellbares geschafft zu haben und der Faszination, Schritt für Schritt den Berg bewältigt zu haben.

 

Die Silbermine im Stollen

Das letzte Event war die Besichtigung einer Silbermine. Ein kleines Museum und eine kurze Führung im Stollen war der Auftakt zu einem krönenden Abschluss.

Der Ausgang führte durch einen 100 Meter langen Tunnel, durch den man lediglich auf allen Vieren kriechen konnte.

Einer nach dem anderen kniete sich nieder auf machte sich auf den Weg nach draußen. Das ganz ging natürlich sehr langsam vonstatten und es kam alsbald zu einem Stau.

In mir machte sich ein unangenehmes Gefühl breit, denn rund um meinen Körper spürte ich das Gestein. Zusätzlich war es dunkel und zu guter Letzt erlitt eine Kollegin eine Panikattacke und schrie und weinte.

In diesem Augenblick regten sich in mir Gedanken, ob ich genügend Kraft und Energie habe, diese mental stressige Situation auszuhalten. Ich konzentrierte mich dann nur noch auf mich, sprach mir selbst Mut und Zuversicht zu und war sehr erleichtert als es wieder weiterging und ich schlussendlich beim Ausgang hinausschlüpfte.

 

Was ich dabei lernte und in mein tägliches Leben integrierte

Bevor ich mich auf den Weg zu dieser Reise machte, überlegte ich, ob ich mental und emotional wirklich so gefestigt bin, wie ich zu sein glaubte.

Über die sportlichen Aktivitäten machte ich mir weniger Gedanken, da ich gerne und regelmäßig Wanderungen unternehme.

Nach dieser fordernden, anstrengenden und ereignisreichen Woche mit den sportlichen Aktivitäten, Workshops, Diskussionen und Spielen kehrte ich glücklich nach Hause zurück und mit Freude stellte ich fest, dass ich mich tatsächlich „in meiner Mitte“ befinde.

Für meine Arbeit als Mediatorin ist „dieser Zustand“ natürlich essentiell, denn nur so ist es möglich, mich während der Mediation voll und ganz auf meine Klientinnen und Klienten zu konzentrieren und bei der Sache zu sein, ohne abgelenkt zu werden.

 

Möchten Sie auch mehr über sich selbst erfahren und neue Wege gehen?

 
Waltraud Dorfer